Um die geplante Schuldenorgie von CDU/CSU und SPD gegenfinanzieren zu können, werden über kurz oder lang die Steuerzahler zusätzlich zur Kasse gebeten – sei es über gestiegene Preise für Waren und Dienstleistungen und damit über Konsumsteuern, oder über direkte Steuererhöhungen, wie sie kürzlich von der ehemaligen Kanzlerpartei in den Raum gestellt wurden. Vor allem Besserverdiende sollen künftig mehr bezahlen. Doch ist das wirklich so?
Auf den ersten Blick ist das Einkommensteuerrecht in Deutschland so geregelt, dass diejenigen, die mehr verdienen, einen höheren Anteil ihres Einkommens versteuern müssen. Wie hoch die Steuerlast ausfällt, hängt vom persönlichen Steuersatz ab. In Deutschland greift dieser derzeit bei einem zu versteuernden Einkommen von 68.413 Euro und liegt bei 42 %. Für Ehepaare und Lebenspartner, die sich zusammen veranlagen lassen, gilt der doppelte Wert und damit 136.826 Euro.
Seit 2007 gibt es außerdem einen Reichensteuersatz von zusätzlichen drei Prozentpunkten. Da dieser jedoch erst ab einem zu versteuernden Einkommen von derzeit 277.826 Euro greift und die Anzahl der betroffenen Menschen dadurch sehr gering ist, ist dieser eher zu vernachlässigen.
Immer mehr Menschen bezahlen den Spitzensteuersatz
Wichtig dabei: Aufgrund der Steuerprogression kann man für den oben genannten Grenzwert nicht einfach das Bruttogehalt heranziehen. Das zu versteuernde Einkommen reduziert sich durch Freibeträge, Werbungskosten oder mögliche Sonderausgaben und Vorsorgeaufwendungen. Wer also über ein größeres Depot verfügt und darüber Dividendenausschüttungen generiert, kann diesen Betrag auch über sein Vermögen schnell erreichen.
Hinzu kommt, dass der Spitzensteuersatz nur für den Teil des Einkommens gilt, der über dieser Grenze liegt. Das zu versteuernde Einkommen darunter unterliegt geringeren Sätzen. Am Ende hat jeder einen persönlichen Durchschnittssteuersatz. Beispiel: Wer 2024 nach Abzug aller absetzbaren Ausgaben auf 75.000 Euro kommt, bezahlt für die ersten Euro bis zur Grundfreibetragsgrenze von 12.096 Euro keinerlei Einkommensteuer. Danach steigt der Steuersatz auf bis zu 42 %, wobei die nächsten 5.347 Euro in Tarifzone 2 mit lediglich 14 % versteuert werden. In diesem Beispiel liegt der persönliche Durchschnittssteuersatz bei ca. 30 %.
In der Regel bezahlt man den Spitzensteuersatz von 42 % als Single in Steuerklasse 1 ab einem Bruttoeinkommen von rund 82.000 Euro und würde damit bereits zu den obersten 10 % der Einkommensklassen gehören. Je nach Standort kann das mit Blick auf die Mieten und Lebenshaltungskosten aber noch lange nicht dazu führen, dass eine solche Person sich tatsächlich reich fühlen darf und sich weitaus mehr als ein Durchschnittsverdiener leisten kann. Das klassische Bild von Privatjets und Luxusyachten, das gerne in der Gesellschaft von Reichen gezeichnet wird, ist nicht erfüllt.
Durchschnitt steigt, Steuergrenzen fallen
Tatsächlich greift der Spitzensteuersatz immer früher, das Delta zum Durchschnittseinkommen wird kontinuierlich kleiner. Laut dem Statistischen Bundesamt lag das durchschnittliche Bruttoeinkommen in Deutschland zuletzt bei 55.608 Euro. Zieht man die Grenze für den Spitzensteuersatz von 82.000 Euro zum Vergleich heran, liegt diese gerade einmal um das 1,5-Fache darüber. Der Multiplikator hat sich seit 1950 stark reduziert – aber nicht nur weil die Grenzwerte von der Politik immer weiter abgesenkt wurden, sondern auch weil das Durchschnittseinkommen in einem inflationären System stetig nach oben angepasst werden muss.
Vor 75 Jahren brachte der Durchschnitts-Deutsche etwa 3.200 D-Mark im Jahr nach Hause. Der Spitzensteuersatz lag zwar mit 95 % deutlich über dem heutigen Einkommenstarif, griff jedoch erst ab 250.000 D-Mark und damit bei fast dem 80-Fachen des damaligen Durchschnittsverdienstes. Nur zehn Jahre später sank dieser Wert auf das rund 20-Fache, bis 1960 auf unter das 10-Fache und belief sich 1980 auf etwa das Vierfache. In den 2000er-Jahren musste man nicht einmal mehr als Doppelte des Durchschnittsverdieners nach Hause bringen, um bereits in den Spitzensteuersatz zu rutschen.
Jahr | Spitzensteuersatz | Grenzwert | Multiplikator |
---|---|---|---|
1950 | 95 % | 127.800 Euro | 79x |
1960 | 53 % | 56.300 Euro | 18x |
1970 | 53 % | 56.300 Euro | 8,0x |
1980 | 56 % | 66.500 Euro | 4,0x |
1990 | 53 % | 61.400 Euro | 3,0x |
2000 | 51 % | 58.600 Euro | 2,0x |
2010 | 42 % | 52.900 Euro | 1,4x |
2020 | 42 % | 57.000 Euro | 1,2x |
2025 | 42 % | 68.400 Euro | 1,5x |
Die Politik sorgte in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich dafür, dass der Spitzensteuersatz immer mehr Menschen betrifft, während gleichzeitig durch Ideen wie Mindestlohn oder Bürgergeld die Grenzen von unten nach oben verschoben wurden. Das sorgt für eine Stauchung des „Mittelstandes“ und in letzter Konsequenz zu einer Gleichmachung aller Arbeitenden. Durchschnittsverdiener kommen dem Geringverdiener immer näher, werden aber auch mit Einkommensmillionären nahezu gleichgestellt, weil diese steuerlich kaum mehr Beträge zu bezahlen haben.
Das ist ein großes, moralische Ärgernis und fördert die Vermögensungleichheit, denn den wirklich Reichen bleibt prozentual und absolut gesehen mehr von ihrem Einkommen übrig, das sie zusätzlich gewinnbringend investieren können und so langfristig immer reicher werden. Die Schere öffnet sich immer schneller.
Es muss etwas passieren
Langfristig muss der Multiplikator zwischen dem Durchschnittsverdiener und dem Spitzensteuersatz-Bezahler wieder deutlich steigen. Eine Anhebung der Freigbeträge und Grenzsteuersätze würde sogar den unteren Gehaltsklassen zugutekommen, weil auch deren Grenzwerte steigen und diese weniger Einkommensteuern bezahlen müssen. Sie werden entlastet. Die Zonen, in denen geringere Steuersätze bezahlt werden, würden breiter werden und größere Einkommensschichten abdecken. Der Bauch des Mittelstands würde sich entzerren und wieder größer werden.
Gleichzeitig erhöht sich jeglicher Anreiz, mehr zu leisten, der Unterschied zwischen Arm und Reich wird entzerrt. Im Gegenzug könnte man die Steuersätze für Spitzenverdiener erhöhen oder sogar die Freigrenzen für die Reichensteuer anpassen. Bloße Steuerorgien sind nicht zielführend und dienen lediglich dazu, das eigentliche Wählerklientel zu bedienen.
- Elias, Roland (Author)
Letzte Aktualisierung am 16.04.2025 um 20:30 Uhr / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API