Warum nicht alle ein großes Vermögen aufbauen werden

Obwohl der Zinseszinseffekt und das langfristige Investieren in breit gestreute ETFs und damit die verbundenen Strategien vielen bekannt sind, schafft es nicht jeder, diese eigentlich einfachen Schritte in die Tat umzusetzen. Viel schlimmer noch: Viele verstricken sich in Ausreden und Schuldzuweisungen („Ich habe kein Geld übrig“ oder „Mein Chef bezahlt mir zu wenig“), anstatt das Zepter selbst in Hand zu nehmen und mit einem gewissen finanziellen Puffer für mehr Leichtigkeit und Freiheit in ihrem Leben zu sorgen. Wer es einmal geschafft hat, 100.000 Euro auf der hohen Kante zu haben, hat statistisch gesehen bestens vorgesorgt und sieht jedem potenziellen Jobwechsel oder Rückschlag wesentlich einfacher entgegen.

Wir liefern fünf Gründe, weshalb das Erreichen großer Vermögen für viele trotz der bekannten Finanzprinzipien oftmals außer Reichweite bleibt.

Die Theorie: Zinseszins und Langfristigkeit

Viele Finanzexperten und Influencer propagieren: Wer sein Geld langfristig in breit gestreute Aktien-ETFs investiert und regelmäßig per automatisierten Sparplan anspart, kann mit der Zeit ein bedeutendes Vermögen aufbauen. Der Zinseszins sorgt dafür, dass mit fortschreitender Zeit nicht nur das investierte Kapital, sondern auch bereits erzielte Renditen selbst wieder Renditen erwirtschaften. Rechenbeispiele zeigen, dass mit einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von 7 % und einer ausreichend langen Anlagedauer selbst aus kleineren monatlichen Beträgen beachtliche Summen entstehen können. Der Effekt verstärkt sich exponentiell über Jahrzehnte.

Soweit die Theorie, doch im Alltag wird diese Finanzmathematik für die breite Masse oftmals zur Herausforderung, die nicht von jedem gemeistert wird.

Hürden auf dem Weg zum Wohlstand

Der vielleicht größte Fehler in der Finanzplanung ist die Unterschätzung des Faktors Zeit. Die klassischen Beispiele rechnen oft mit 30, 40 oder mehr Jahren der Spar- und Investitionsdauer. Doch im wirklichen Leben starten viele erst spät mit dem systematischen Vermögensaufbau – häufig nach dem Studium, Berufseinstieg oder der Familiengründung. Realistisch bleiben daher meist nur 20 bis 30 Jahre konsequenter Sparphase. Frühe Auszeiten (Elternzeit, Arbeitslosigkeit, Sabbatjahr, Krankheit) und ein früher Ruhestand verkürzen die Zeit weiter.

Die exponentielle Wirkung des Zinseszinses entfaltet sich jedoch erst nach längeren Zeiträumen – wer zu spät beginnt, kann das Potenzial kaum ausschöpfen. Der Grund: In den ersten 20 Jahren tut sich in der Vermögensentwicklung recht wenig. Wer 100 Euro im Monat spart, hat nach zehn Jahren ca. 17.200 Euro angespart, nach weiteren zehn Jahren kommt er auf rund 50.000 Euro und hat nach insgesamt 30 Jahren 117.000 Euro erreicht. Das ist sicher kein schlechtes Ergebnis, doch erst so richtig groß werden die Zahlen nach hinten raus: Nach 40 Jahren kommt der Sparer auf fast 250.000 Euro und nach 50 Jahren sogar auf über eine halbe Million Euro.

Die richtig fette Rendite in absoluten Zahlen gesehen floss also erst nach hinten raus. Das kann auf dem Weg dorthin demotivieren, wenn das eigentliche Ziel noch in weiter Ferne liegt – egal ob finanziell oder zeitlich gesehen.

Die Höhe der Sparrate

Nicht der Zinseszins allein, sondern vor allem auch die Sparrate entscheiden über die erreichbare Summe. Wer etwa nur 250 Euro monatlich anlegt, wird kaum Millionär – auch nicht in 40 Jahren. Realistisch sind für dieses Ziel Sparraten in Höhe von 500 oder gar 1.000 Euro. Das können jedoch nur wenige, wenn man Durchschnittseinkommen und Lebenshaltungskosten betrachtet. Laut Statistiken spart der/die Durchschnittsdeutsche etwa 11 % des Nettoeinkommens. Mit dieser Quote dauert es mehr als 40 Jahre bis zur Million. Höhere Sparraten sind oft nur mit erheblichem Verzicht oder über steigende Verdienste möglich – was wiederum Disziplin, Gehaltsentwicklung und Lebensereignisse beeinflusst.

Renditeerwartungen vs. Realität

Die Annahme einer durchschnittlichen Aktienmarktrendite von 7 % jährlich ist historisch belegbar, jedoch keine Garantie. Viele investieren nicht rational, verkaufen in Krisen oder setzen auf riskante Produkte. Hohe Kosten schmälern die Rendite zusätzlich: Aktiv gemanagte Fonds, Versicherungspolicen oder eine überhöhte Gebührenstruktur können den Effekt langfristig um viele Tausend Euro mindern. Wer den Zinseszins nutzen will, benötigt Disziplin und einen klaren Plan – beides ist in der Praxis nur selten dauerhaft gegeben.

Die Wirkung der Inflation

Über viele Jahre nimmt die Kaufkraft unseres Geldes ab. Wer nicht inflationsgeschützt investiert, verliert trotz scheinbar wachsendem Kontostand an realem Vermögen. Selbst bei konservativer Inflationsschätzung von 2 % halbiert sich die Kaufkraft der angesparten Summe in rund 35 Jahren. Wer heute eine Million Euro anstrebt, benötigt inflationsbereinigt sogar 1,5 Millionen, um später finanziell wirklich abgesichert zu sein.

Psychologie als der größter Feind

Die menschliche Psyche steht raschem Vermögensaufbau im Weg. Die ersten Jahre der Geldanlage bringen meist geringe sichtbare Erfolge. Wer nach fünf oder zehn Jahren entmutigt das Depot räumt – etwa nach einem Börsencrash – verpasst die entscheidenden späteren Jahre, in denen der Zinseszinseffekt richtig Fahrt aufnimmt. Panikverkäufe, mangelnde Disziplin und Lebensereignisse sorgen oft dafür, dass die ursprüngliche Strategie nicht durchgehalten wird.

Fazit

In der Theorie wirken Finanzmathematik, passives Investieren und Zinseszins wie sichere Wege zum Wohlstand. Die Praxis sieht anders aus: Zeit, Disziplin, eine ausreichend hohe Sparrate, die richtige Anlagestrategie, geringe Kosten, Schutz vor Inflation und eine stabile Psyche müssen gemeinsam zusammenkommen. Das Leben verläuft jedoch selten linear – Familiengründung, Krankheit, Scheidung, Jobverluste oder Lebensstiländerungen wirken als Störfaktoren.

Wer möglichst früh beginnt, hohe Sparraten erzielt, diszipliniert bleibt, günstige Produkte wählt und dem Plan auch in Krisen treu bleibt, hat zwar sehr gute Chancen auf ein beachtliches Vermögen. Die meisten scheitern jedoch an mindestens einem dieser Punkte. Wohlhabend werden daher nicht alle – viele aber könnten durch kluges Verhalten ihr finanzielles Leben dennoch deutlich verbessern (siehe Einleitung).

Letzte Aktualisierung am 7.11.2025 um 04:46 Uhr / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API

Andreas Stegmüller

Ist Gründer und Betreiber dieses Blogs. Hat während seiner mehr als zehnjährigen Redakteurs-Laufbahn schon für mehrere große Medien zu den unterschiedlichsten Themen geschrieben. Die Börse ist seit 2016 seine Leidenschaft.

Alle Beiträge ansehen von Andreas Stegmüller →