Wie ein Stablecoin die Kryptomärkte zum Beben brachte

In den letzten Wochen gab es etliche Anzeichen, dass die ertragreichen Zeiten an den Kryptomärkten womöglich schon bald vorbei sein könnten. So reduzierten zahlreiche Plattformen die Renditen für die Einlage von Coins und Token. Die von uns oft genutzte Plattform Crypto.com* strich die Zinssätze ordentlich zusammen und führte ein Tiersystem ein, das je nach Größe der Einlage unterschiedliche Ertragszahlen liefert.

Kurz gesagt: Wer höhere Summen anlegt, bekommt ab dem nächsten Monat deutlich weniger. Teilweise reduzieren sich die Zinssätze um mehr als zwei Drittel und das bereits ab einer Anlagesumme von umgerechnet nur 3.000 US-Dollar. Crypto.com* überarbeitete aber auch sein Kartenprogramm und strich hier die Cashbacks sowie Zinssätze für all seine Visa-Karten ebenfalls ordentlich zusammen. Es wird in Zukunft schwerer sein, seine Coin-Anzahl zu vermehren.

Als wäre der Ärger für Investoren damit nicht schon groß genug, so mussten sie in dieser Woche auch noch ordentliche Kursrückgänge an den Börsen verkraften. Allein der Bitcoin gab in dieser Woche zeitweise über 25 % nach und ist als Leitwährung von seinen November-Höchstständen schon mehr als 60 % entfernt. Es ist die sechste Woche in Folge, in der Bitcoin-Anleger Verluste in Kauf nehmen müssen.

Das Börsenbeben hat einen ganz besonderen Grund und dieser ist bislang einzigartig in der jungen Geschichte der Kryptowährungen: Eine koordinierte Attacke auf das Ökosystem von Terra und den Stablecoin TerraUST, der in den letzten Tagen seine Anbindung zum US-Dollar verloren hatte und zweitweise über 90 % seines Wertes einbüßen musste. Ob Coin und Blockchain das überleben werden, ist fraglich.

TerraUSD hat seine Dollar-Anbindung verloren

Dem vorangegangen waren massive Abverkäufe von UST in Millionenhöhe auf zentralen und dezentralen Börsen wie Binance oder Curve. Und das zu einer Zeit, in der die Liquidität eher gering war. Es folgten massive Shorts auf LUNA und hunderte von Twitter-Posts mit FUD-Inhalten zum Terra-Ökosystem. In der Spitze waren bis Mittwoch Short-Positionen in Höhe von mehr als 4,2 Milliarden US-Dollar offen, gleichzeitig wurde eine riesige Menge an UST, die vorher außerbörslich beschafft wurde, zusätzlich auf den Markt gebracht, was das Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage endgültig ins Wanken brachte und den Preis des Stablecoins rapide fallen ließ.

Das hatte natürlich Auswirkungen auf LUNA. Der Preis ließ binnen weniger Stunden um mehr als 98 % nach und notiert nur noch auf Ramsch-Niveau. Auf einigen Börsen sind die Token nicht mehr handelbar. Zu seinen Hochzeiten notierte der Coin bei über 120 US-Dollar, die Marktkapitalisierung belief sich auf mehr als 21 Milliarden US-Dollar, die von UST auf weitere 18 Milliarden US-Dollar.

Der Grund, warum beide Token der Terra-Blockchain so schnell an Wert verloren, liegt in der Architektur von TerraUSD (UST). Denn, um den Wert des US-Dollar abbilden zu können, werden der US-Dollar-Preis und der Preis für den LUNA-Token gegenübergestellt. Übersteigt der Preis von UST den realen Doller-Preis, müssen LUNA-Tokens verbrannt und neue TerraUSD erstellt werden. Durch die Erhöhung des Angebots sollte der Preis des Stablecoins wieder abfallen. Fiel der Preis, mussten neue LUNA-Token erzeugt und UST verbrannt werden. Das passierte völlig automatisch über einen Algorithmus und sollte bereits bei einer Abweichung von nur einem Prozent anspringen.

Da UST aufgrund des Angebot-Überhangs und der gleichzeitig stetig geringer werdenden Nachfrage fiel, mussten neue LUNA-Token erzeugt und TerraUSD verbrannt werden. Die Folge war eine gewaltige Angebots-Inflation von LUNA, der Preis konnte nur noch fallen. Zum Schluss wurden täglich mehrere Milliarden bis hin zu Billionen Token erstellt. Die Abwärtsspirale nahm ihren Lauf.

Verkauf der Reserven zieht Bitcoin-Kurs herunter

Die Terra Luna Foundation (TFL) hatte ursprünglich den Plan, TerraUST zusätzlich durch Bitcoin abzusichern und kaufte deswegen in den letzten Monaten für rund 10 Milliarden US-Dollar Bitcoin hinzu. Das System befand sich jedoch im Aufbau und konnte den massiven Preissturz von UST am Sonntag nicht automatisch auffangen. Die teuer erstandenen Bitcoin mussten günstig auf den Markt geworfen werden, was ein Einfluss auf den Bitcoin nahm und auch diesen mit nach unten zog.

Während der Bitcoin neue Jahrestiefs erreicht und um die 30.000-US-Dollar-Marke ringt, kämpft TerraLUNA ums bloße Überleben. Ein Notfallplan soll den UST zurück zu seiner Dollar-Anbindung bringen und das gesamte Ökosystem retten. Selbst wenn das gelingen sollte, so dürfte das Vertrauen bei vielen Nutzern weg sein. Zeitweise wurde die Blockchain komplett angehalten. Die Anzeichen stehen schlecht, dass TerraLUNA das überleben wird.

Vereinzelt tauchten Gerüchte auf, hinter dem Angriff würden Blockrock und Citadel stecken, also einer der größten traditionellen Vermögensverwalter und die Macher von USDC, einem weiteren populären Stablecoin, bei dem die US-Dollar tatsächlich als Wert hinterlegt werden müssen. Beide Unternehmen stritten das jedoch ab.

Auch USDT, der am meisten genutzte Stablecoin mit einer Marktkapitalisierung von 75 Milliarden US-Dollar, kam kurz darauf ebenfalls in Wanken und brach fast 5 % ein. Es ist nicht das erste Mal, dass dies bei USDT (Tether) passiert. Der Coin steht seit jeher immer wieder in der Kritik, die Einlagen seiner Nutzer nicht vollständig abgesichert zu haben.

Herbe Verluste auch bei uns

Auch wir waren in UST und LUNA investiert und hatten die Einlage ins Sparprotokoll von Anchor in diesem Blog sogar schon einmal thematisiert. Da wir Coins als Sicherheit hinterlegt hatten, um weitere zu erhalten, haben wir quasi gehebelt agiert und sind ein großes Risiko eingegangen. Diese Positionen sind im Zuge des massiven Preissturzes bereits in der Nacht auf Montag liquidiert worden, sodass wir unsere gesamten LUNA-Bestand verloren hatten. Auch unsere Einlagen bei Anchor befinden sich derzeit noch im Protokoll.

Sollte die Terra Luna Foundation (TFL) es in den kommenden Tagen nicht schaffen, den Preis von UST zu stützen und wieder zurück auf einen US-Dollar zu bringen, so werden wir auch diese Einlagen mit einem Verlust über dezentrale Börsen abziehen müssen – sofern bis dahin die Blockchain überhaupt noch am Laufen ist oder mit Blick auf deren Auslastung überhaupt Transaktionen durchgehen.

Konkret: Wir haben unsere gesamten Investments in das Terra-Ökosystem bereits vollständig abgeschrieben.

Keyfacts

  • eine koordinierte Attacke brachte das Ökosystem on TerraLUNA ins Wanken
  • der Stablecoin UST verlor seine Anbindung zum US-Dollar
  • das Netzwerk wurde zeitweise pausiert, der Handel ausgesetzt
  • durch den Verkauf der Reserven wurde auch der Bitcoin-Kurs mit nach unten gezogen
  • der Ausgang ist weiterhin offen
  • hohe Verluste schon jetzt, Totalverlust möglich

Andreas Stegmüller

Ist Gründer und Betreiber dieses Blogs. Hat während seiner mehr als zehnjährigen Redakteurs-Laufbahn schon für mehrere große Medien zu den unterschiedlichsten Themen geschrieben. Die Börse ist seit 2016 seine Leidenschaft.

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