Ein differenzierter Blick auf typische Aussagen zu Bitcoin (Teil 1/3)

Um den Bitcoin rankt sich eine Vielzahl von Vorurteilen und Mythen, die leider viel zu häufig ohne Abwägung verbreitet werden. Viele dieser Aussagen mögen im Kern zwar richtig sein, sind bei näherer Betrachtung des großen Ganzen jedoch oftmals essentiell. Die eigentliche Negativschlagzeile könnte deutlich abgemildert, wenn nicht sogar ins Positive gedreht werden. Dazu gehören etwa der hohe Energieaufwand, der größer als der ganzer Nationen ist, oder aber, dass sich hinter Bitcoin nur irgendwelche Computerzahlen ohne wirklichen Wert verbergen würden.

Bitcoin dringt nicht nur in technische Feinheiten vor, sondern umfasst schnell auch gesellschaftliche und physikalische Aspekte. Bitcoin zu verstehen, ist nicht einfach und passiert nicht von heute auf morgen. Wir haben uns in einer dreiteiligen Artikelstrecke einige der bekanntesten Vorurteile vorgenommen und diese von einer anderen Seite beleuchtet.

Bitcoin hat keinen realen Anwendungsfall

Als Bitcoin vor etwas mehr als 15 Jahren von Satoshi Nakamoto gestartet wurde, gab es aufgrund der geringen Verbreitung und der Tatsache, dass viele noch nicht den potentiellen Nutzen des Netzwerkes für sich entdeckt hatten, tatsächlich keinerlei realen Anwendungsfall. Der erste Bitcoin-Block, welcher als Block 0 oder Genesis bezeichnet wird, konnte noch keinen Verweis auf einen vorhergehenden Block geben und enthielt nur eine einzige Transaktion, die in diesem Fall an eine Adresse von Satoshi Nakamoto ging, deren Bitcoins jedoch nicht ausgegeben werden können.

Die erste sinnvolle Transaktion ging im Jahr 2010 in die Geschichtsbücher des noch jungen Nutzwerkes ein. Damals stellte sich die noch kleine Bitcoin-Community die Frage, welchen Wert das neue digitale Geld haben könnte und ob man damit wirklich etwas real Existierendes kaufen könne. Wenig später spendierte ein Nutzer im Tausch von 10.000 Bitcoin einem anderen zwei Pizzen von Papa John’s, die nach heutigem Wechselkurs rund 620 Millionen US-Dollar wert wären. Seitdem ruft die Bitcoin-Community jedes Jahr am 22. Mai zum „Bitcoin Pizza Day“ auf.

Bitcoin in Schwellenländern

Inzwischen kommen Kryptowährungen insbesondere in Schwellenländern zum Einsatz. So hat beispielsweise El Salvador den Bitcoin zur Landeswährung bestimmt. Ein typischer Anwendungsfall ist hier neben der Bezahlung im Supermarkt oder dem Restaurant der Einsatz als Geldüberweisung. Viele Salvadorianer leben im Ausland und schicken Teile ihres dort verdienten Einkommens an ihre Familien in das kleine Land in Zentralamerika, das ein Großteil seines Bruttosozialprodukts über Devisentransaktionen erzielt. Die Abwicklung der internationalen Überweisungen über Kryptowährungen ist deutlich günstiger und schneller. Das zeigen unter anderem die neusten Zahlen von Chainanalysis.

Doch auch diejenigen, die keinen Zugang zu einem Konto- oder dem Bankensystem haben, weichen zunehmend auf Kryptowährungen wie eben den Bitcoin aus, wie dies oftmals in Regionen Afrikas passiert. Hier schafft Bitcoin einen Anreiz für die Entwicklung von Infrastruktur – Stromnetze, Internet und Smartphones werden erst dadurch in diese Regionen gebracht.

Inflationsschutz und Spenden

Außerdem ist der Bitcoin trotz oder gerade wegen seiner Wertschwankungen gegenüber traditionellen Fiat-Währungen zu einem wichtigen Wertaufbewahrungsgut geworden. In Zeiten finanzieller Instabilitäten durch beispielsweise eine Hyperinflation greifen versierte Bürger auf digitales Geld zurück. Prominente Beispiele sind hier die türkische Lira oder der Venezolanischer Bolívar. Allein im Jahr 2022 konnten sich laut Chainanalysis Personen in Venezuela so gegen den Verfall ihrer Landeswährung absichern und US-Dollar im Gegenwert von über 34 Milliarden US-Dollar erhalten.

Nach dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine spendeten Personen Kryptowährung im Gesamtwert von mehr als 56 Millionen US-Dollar an das grausam überfallene Land. Im Februar 2023 kamen für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien Spenden im Gegenwert von mehr als 6 Millionen US-Dollar zusammen. Bitcoin eignet sich für schnelle, unkomplizierte Geldspenden, die von keiner staatlichen Institution, Besetzern oder Disputen abgefangen werden können.

Wertaufbewahrung gegen Inflation

Der wichtigste, reale Anwendungsfall ist jedoch die Wertaufbewahrung. Kein Asset hat in den letzten Jahren die Märkte derart outperformt wie Bitcoin. Wer in der Vergangenheit Bitcoin mindestens vier Jahre lang gehalten und regelmäßig per Sparplan hinzugekauft hat, hat immer eine positive Rendite eingefahren. Bitcoin bewegt sich in Zyklen. Die zunehmende Knappheit durch die Spot-ETFs, dem nächsten Halving und der immer geringer werdenden Bestände an den Börsen lassen weitere Preisanstiege vermuten.

Bitcoin hat keine Eignung als Zahlungsmittel

Dass sich Bitcoin nicht als Zahlungsmittel eignen würde, ist bereits durch die obigen Ausführungen widerlegt. Doch man kann diesen Aussagen auch auf technischer Ebene weitere hinzufügen. Im Schnitt benötigen die Miner für das Finden eines neuen Blocks und damit für die Aufnahme neuer Transaktionen in die Blockchain etwa zehn Minuten. Im schlimmsten Fall benötigt eine Transaktion, bis sie für alle Netzwerkteilnehmer bestätigt ist, genau diese zehn Minuten. Hinzu kommt, dass je nach Auslastung des Netzwerkes und der Nachfrage nach Blockchain-Speicherplatz deutlich höhere Gebühren als bei einer klassischen Bezahlung per Kreditkarte entstehen können. Beides kann bei der Bezahlung von Waren und Dienstleistungen im Alltag unpraktisch und unwirtschaftlich sein.

Lightning als 2nd Layer macht Zahlungen effizienter

Doch selbst dafür bietet die Bitcoin-Community eine Lösung: Der Gang über den sogenannten 2nd Layer, wie beispielsweise Lightning. Lightning funktioniert wie ein Peer-to-Peer-Bezahlsystem, für das quasi eine zusätzliche Blockchain auf dem Main-Layer aufgesetzt wird. Anhand von Knotenpunkten und Channels werden die Transaktionen von allen Teilnehmern gesammelt und erst dann finalisiert in das Kassenbuch und damit die Bitcoin-Blockchain eingetragen, wenn diese aufgelöst werden. Erst dann fallen die echten Bitcoin-Transaktionsgebühren an.

Während eine Bitcoin-Node alle Transaktionen abspeichert und absichert, kümmert sich eine Lightning-Node ausschließlich um die eigenen Knotenpunkte und Channels, mit denen sie innerhalb des Netzwerkes kommuniziert und durch das Verschieben von bereitgestellter Liquidität die Zahlungen anderer Nutzer P2P-mäßig durchschleift. Für diese Dienstleistung können Node-Betreiber im Gegensatz zum Main-Layer Transaktionskosten abrufen und somit ein paar Sats verdienen.

Lightning macht Zahlungen über das Bitcoin-Netzwerk deutlich kostengünstiger und erheblich schneller – vor allem bei Kleinstsummen. Die Bezahlung einer Brezel beim Bäcker über Bitcoin wird damit erst alltagstauglich.

Bitcoin wird nur von Kriminellen benutzt

Vom Prinzip her kann Bitcoin nichts dafür, wie er und das Netzwerk verwendet werden. Gerade zu Anfangszeiten war die Kryptowährung vor allem im Darknet äußerst beliebt, konnte man so unter dem Radar die Marktplätze und deren Nutzer für ihre illegalen Waren und Dienstleistungen bezahlen. Zu Hochzeiten machten Anbieter wie Silk Road, der im Jahr 2013 von den Strafverfolgungsbehörden geschlossen wurde, einen Anteil aller Transaktionen innerhalb des Netzwerkes von fast 20 % aus.

Deutlicher Rückgang krimineller Handlungen, Bitcoin nur pseudonym

In den letzten zehn Jahren hat sich das jedoch durch die weitere Verbreitung und den verstärkten Druck der Behörden sowie die zunehmende Regulierung laut Chainanalysis deutlich verringert. Nach Schätzungen des Analysehauses sollen weniger als 0,34 % des gesamten Transaktionsvolumens aller Kryptowährungen im Jahr 2023 gesetzeswidrig gewesen sein. Von diesen 0,34 % entfiel sogar nur ein Bruchteil allein auf Bitcoin. Zudem verzeichnete man einen starken Rückgang von riskanten Transaktionen, beispielsweise die Nutzung von Mixer-Diensten oder dubiosen Börsen, während auch die Zahl der Überweisungen an Adressen, die mit illegalen Handlungen verknüpft sind, deutlich zurückgingen.

Zum Vergleich: Man schätzt, dass im traditionellen Finanzsystem rund 2 bis 5 % des weltweiten Bruttoinlandsproduktes in Verbindung mit Geldwäsche und somit illegalen Aktivitäten stehen. Bitcoin-Transaktionen sind transparent. Jede Aktivität wird auf der Blockchain gespeichert, was sie für alle nachverfolgbar macht. Hat man einmal herausgefunden, wer hinter einer Wallet steckt, kann man alle Aktivitäten und Transaktionen zurückverfolgen. Immer mehr Strafverfolgungsbehörden führen deswegen Chain-Analysen durch, um kriminelle Aktivitäten aufdecken und belegen zu können.

Bitcoin ist nur pseudonym und keinesfalls anonym – gerade, wenn man die Gateways zu Fiat nutzt. Hinzu kommt die stärkere Regulierung gerade von Kryptobörsen und Anbietern – oftmals wird ein sogenanntes KYC-Verfahren (Know you Customer) vorausgesetzt, innerhalb dessen sich die Kunden mit Ausweisdokumenten und Gehaltsnachweisen identifizieren müssen.

Es ist ein Trugschluss zu behaupten, Bitcoin wäre für Kriminelle ideal und würde überwiegend von solchen eingesetzt werden. Nach wie vor nutzen Kriminelle bevorzugt Bargeld, Diamanten und Gold. Außerdem lässt sich über komplizierte Firmenkonstrukte oder Niedrigsteuerländer und Offshore-Paradiese im Fiatsystem einiges verschleiern.

Im zweiten Teil, welcher in der nächsten Woche erscheinen wird, geht es weiter!

Der Bitcoin-Standard: Die dezentrale Alternative zum Zentralbankensystem*
  • Der Bitcoin-Standard: Die dezentrale Alternative zum Zentralbankensystem
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  • Ammous, Saifedean (Autor)

Letzte Aktualisierung am 20.04.2024 um 16:57 Uhr / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API

Andreas Stegmüller

Ist Gründer und Betreiber dieses Blogs. Hat während seiner mehr als zehnjährigen Redakteurs-Laufbahn schon für mehrere große Medien zu den unterschiedlichsten Themen geschrieben. Die Börse ist seit 2016 seine Leidenschaft.

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