Die Stufen zur finanziellen Freiheit

Wer sich tiefergehend mit dem Thema Finanzen beschäftigt, der wird früher oder später auf das Konzept der FIRE-Bewegung stoßen. FIRE steht für „Financial Independence, Retire Early“, was übersetzt soviel bedeutet wie „Finanzielle Unabhängigkeit, vorzeitige Rente“. Dahinter verbirgt sich der Wunsch, relativ früh im Leben finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Mit extremer Sparsamkeit soll die Zeit als Beschäftigter möglichst kurzgehalten werden, um frühzeitig in den vorzeitigen Ruhestand eintreten zu können. Vor allem in den USA erfreut sich die Bewegung seit den 90er-Jahren großer Beliebtheit, schwappte spätestens mit dem Blog von Oliver Nölting aber nach Deutschland über. Inzwischen gibt es auch hierzulande unzählige Bestseller, Blogs, Podcasts und Video-Kanäle zu diesem Thema.

Das Konzept sieht zunächst einmal vor, Verantwortung über seine Finanzen zu übernehmen. Mithilfe von Haushaltsbüchern hält man die Ausgaben stetig im Blick und optimiert diese regelmäßig. Die Sparrate muss kontinuierlich nach oben geschraubt werden, was hauptsächlich über das Re-Investieren von Dividenden und Ausschüttung geschieht, aber auch über eine Steigerung des Einkommens passieren muss. Die Sparsumme darf nicht unverzinst auf dem Sparkonto liegen und von der Inflation aufgefressen werden, sondern muss breit gestreut in Sachwerte investiert werden – genauso, wie wir es in diesem Blog immer wieder propagieren.

Wer sich der Bewegung anschließt, muss womöglich sein gesamtes Leben umkrempeln und ziemlich diszipliniert mit großer Ausdauer agieren. Bis man sich mit Blick auf Rechnungen und das Alter keine Sorgen mehr über Geld machen muss oder gar keine Notwendigkeit des aktiven Geldverdienens mehr sieht, müssen einige Stufen zur finanziellen Freiheit durchlaufen werden, die wir in diesem Artikel näher behandeln wollen.

Stufe 1: Vollständige Abhängigkeit

Die erste Stufe erreicht man direkt nach der Geburt. Als Kind ist man völlig abhängig von anderen. In dieser Phase tragen hauptsächlich andere die Kosten für das eigene Leben – seien es die Familie oder der Staat. Man selbst hat kein eigenes Auskommen und ist daher auf andere angewiesen. Das spätere Taschengeld der Eltern mag einem zwar den einen oder anderen kleinen Wunsch erfüllen, jedoch reicht es bei weitem nicht aus, ein eigenständiges Leben führen zu können. Es ist vielmehr ein erstes Vehikel, um den Umgang mit Geld zu erlernen.

Stufe 2: Erste Unabhängigkeit

Im Laufe des frühen Lebens wird man irgendwann seinen ersten Mini-Job annehmen und erstmals eigene Lebenszeit gegen Geld tauschen. Seien es die Ausbildung nach der Schule oder schlichtweg der Ferienjob wie das Zeitungaustragen oder das Jobben an der Kasse bei einem Elektronik-Laden. Das Taschengeld der Eltern wird schlichtweg aufgebessert. Mit diesem Geld wird man sich eigene Dinge leisten können, ohne andere fragen zu müssen. Man macht sich ein Stückweit unabhängig von seiner Familie.

Stufe 3: Auf eigenen Beinen stehen

Nach dem Studium oder der Ausbildung kommt schließlich der erste richtige Job. Die aktiven Einnahmen daraus decken die Lebenshaltungskosten, womit man das Elternhaus verlassen und seine eigenen vier Wände beziehen kann. Man steht erstmals auf eigenen Beinen. Wirklich unabhängig ist man in dieser Phase jedoch trotzdem nicht: Man muss stets dafür sorgen, die Lebenshaltungskosten decken zu können. Man ist in völliger Abhängigkeit zum Arbeitgeber.

In dieser Phase bleiben die meisten Menschen stecken. Bis zu ihrer Rente, die später vom Staat bezahlt wird, gehen sie jeden Tag arbeiten, um ihr Leben finanzieren zu können. Nach jeder Gehaltserhöhung wird der Lebensstandard angepasst: Die Wohnung wird größer, das Auto sportlicher und jedes Jahr muss ein neues Smartphone her. Die stetig gesteigerten Fixkosten müssen kontinuierlich erarbeitet werden, was die Abhängigkeit gegenüber dem Arbeitgeber wie eine Spirale verstärkt.

Wer finanziell unabhängig werden möchte, der muss anders als die meisten Menschen agieren und aus der Phase des völligen Konsums entkommen.

Stufe 4: Finanzielle Sicherheit

Wer es schafft, sich in Stufe 3 keine Schulden aufzubürden und ein paar Monatsgehälter auf die Seite packen kann, der entflieht allmählich dieser Phase. Man ist nicht gezwungen monatliche Kreditraten für andere zu bedienen und kann außerdem unvorhersehbare Ausgaben ohne die finanzielle Hilfe anderer problemlos tätigen. Für die plötzlich fällig gewordene Autoreparatur muss man keinen Kredit aufnehmen oder sich gar bei seinen regulären Monatsausgaben einschränken. Der Notgroschen verschafft einem einen gewissen Puffer und damit etwas Leichtigkeit im Leben.

Stufe 5: Erste finanzielle Unabhängigkeit

Wer mehr auf der hohen Kante hat, als den Notgroschen, der kann damit beginnen, sein Geld breit gestreut zu investieren, um sein Vermögen kontinuierlich zu steigern. Der dadurch generierte Vermögenszuwachs beginnt dann allmählich die einzelnen Ausgaben zu decken. Die erhaltenen Dividenden der McDonalds-Aktie bezahlen einen Burger im Monat, der generierte Cashflow deckt langsam die Kosten für Lebensmittel, Miete, Versicherungen oder die regelmäßigen Konsumausgaben wie das Netflix-Abo oder die Handyrechnung. Man hat die erste finanzielle Unabhängigkeit erreicht.

Stufe 6: Finanzielle Freiheit

Wer seine monatlichen Ausgaben vollständig durch den regelmäßigen Vermögenszuwachs oder seinen Cashflow passiv ohne aktive Arbeit decken kann, der hat die finanzielle Freiheit erlangt. Man ist nicht darauf angewiesen, für einen Arbeitgeber arbeiten und Zeit gegen Geld tauschen zu müssen. Ohne eigenes Zutun können die monatlichen Ausgaben wie von selbst bezahlt werden. Für den Luxus wie Reisen, teure Partys oder große Sportwagen reicht es aber noch nicht.

Stufe 7: Absolute finanzielle Freiheit

Das gibt es erst in Stufe 7. Nur wer sich keine Gedanken über alles mehr machen muss, der hat mit der absoluten finanziellen Freiheit die letzte Phase erlangt. Man muss sich über Geld keinerlei Gedanken mehr machen und kann sich selbst teure Sportwagen, Yachten oder First-Class-Flüge problemlos leisten, ohne dafür arbeiten zu müssen. Man ist komplett frei und kann unabhängig von allem agieren.

Diese Stufe werden jedoch nur die wenigsten Menschen erreichen, da hierfür ein Milliarden schweres Konto notwendig ist – man besitzt so viel Geld, dass man es im Laufe seines Lebens schlichtweg nicht ausgeben wird können.

Und was mache ich?

Zugegeben: Anfangs habe ich mich sehr auf dieses Thema versteift und wollte möglichst schnell zumindest die sechste Phase erreichen. Das Ziel, möglichst eigenverantwortlich und vor allem freiheitlich leben zu können, ist für mich sehr erstrebenswert. Nachdem ich mich für eine Strategie für meinen langfristigen Vermögensaufbau entschieden hatte, begann ich schnell meine monatlichen Sparraten kontinuierlich zu erhöhen und begab mich ständig auf die Suche nach weiteren Einsparmöglichkeiten im Alltag. Ich war eine Zeit lang ziemlich frugalistisch unterwegs und habe trotz eines eher nur durchschnittlichen Gehalts mit hohen Lebenshaltungskosten in einer bayerischen Großstadt teilweise deutlich über 60 % weggespart.

Hohe Sparraten habe ich heute noch immer, ich schränke mich im Alltag jedoch nicht mehr so sehr ein. Ein paar Bier mit Burger abends in der Kneipe oder die eine oder andere größere Anschaffung gibt es bei mir inzwischen wieder. Ich konsumiere sehr bewusst, lebe aber auch. Geld bedeutet Leichtigkeit und schafft Unabhängigkeit. Zumindest die finanzielle Freiheit will ich möglichst schnell erreichen, um unabhängiger von Arbeitgeber und Staat zu werden. Aufhören zu Arbeiten werde ich wohl aber nie. Ich will das machen, was mir Spaß macht: Zum Beispiel an diesem Blog arbeiten, um andere zu motivieren. Ich will etwas in der Welt bewegen.

Andreas Stegmüller

Ist Gründer und Betreiber dieses Blogs. Hat während seiner mehr als zehnjährigen Redakteurs-Laufbahn schon für mehrere große Medien zu den unterschiedlichsten Themen geschrieben. Die Börse ist seit 2016 seine Leidenschaft.

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