Das Dilemma um einen aufgebrauchten Notgroschen

Es ist passiert: Der Schutzwall für meine Anlagen und schlechte Zeiten ist erstmals in erheblichem Maße angegriffen und deutlich geschwächt worden. Und das obwohl ich in den letzten Jahren einen recht großen Sicherheitspuffer von deutlich mehr als sechs Monatsgehältern auf der hohen Kante hatte. Der Grund ist zum Glück kein bloßer Konsum.

Zwar machen sich auch bei mir die gestiegenen Lebenshaltungskosten gerade bei Lebensmitteln im Monatsbudget stark bemerkbar, doch ist eine Fehlkalkulation mit Blick auf Steuernachzahlungen und einer damit einhergehenden Vorauszahlung an das Finanzamt der eigentliche Grund, weswegen ich kürzlich an meine eiserne Reserve musste. In den letzten Jahren fuhr ich eine strikte und doch recht hohe Sparquote. Sie war zum Ende hin nur deswegen finanzierbar, weil ich monatlich Geld von meinen Tagesgeldkonten abzog. Ich schichtete also langsam einen Teil meiner liquiden Reserven auf langfristige Aktien-, ETF- und Krypto-Anlagen um.

Dann erfolgten ein Wohnungswechsel mit Küchenkauf und schließlich zwei höhere Steuernachzahlungen samt Vorauszahlungen sowie die Beauftragung eines Steuerberaters und schließlich die Inflation. Jetzt ist der Notgroschen erheblich kleiner – wie werde ich weiter vorgehen?

Aus drei Möglichkeiten, werden zwei Optionen

Nüchtern betrachtet gibt es eigentlich nur drei Optionen: Den Notgroschen schnellstmöglich wieder auffüllen, es langsam über viele Monate hinweg tun oder eben komplett sein lassen. Letzteres sollte niemals die Lösung sein, denn ein Notgroschen verschafft dem Sparer einen gewissen Spielraum, mithilfe dessen er ungeplante Ausgaben und Anschaffungen, aber auch einen etwaigen Jobverlust ausgleichen kann, ohne an sein Depot zu müssen, was unnötige Kosten verursachen oder gar die Realisierung von Verlusten bedeuten würde.

Ein solcher Sicherheitspuffer lässt einen besser schlafen und leichter durch den Alltag schreiten. Ein Notgroschen bedeutet ein Stückweit Lebensqualität und Freiheit.

Es bleibt also nur die Möglichkeit, den Notgroschen wieder aufzubauen und das besser gestern als morgen. Das Leben ist niemals vollständig planbar. Bereits morgen kann das nächste finanzielle Problem auf den Tisch kommen, das sich dann womöglich nicht mehr so einfach aus der Portokasse bezahlen lässt. Je schneller der Notgroschen wieder befüllt ist, desto kürzer ist der Zeitraum, in welchem einen unvorhergesehene Ausgaben auf dem falschen Fuß erwischen können.

Ob schnell oder langsam: In beiden Fällen muss die Sparrate für Aktien, ETFs und Kryptowährungen reduziert werden, um die zusätzliche Rate für den Notgroschen aus dem monatlichen Einnahmen-Cashflow bedienen zu können. Der Vermögensaufbau wird also verlangsamt. Ich kann weniger passives Einkommen erwerben. Das schmerzt, ist jedoch die einzig richtige Entscheidung, um später nicht noch größere Schmerzen zu bekommen.

Hinauszögern durch Cashback- und Kreditkarten-Tricks

Dass die Reserven angezapft werden mussten, wurde mir schon vor dem eigentlichen Steuerbescheid klar. Ich zögerte die Zahlung nicht nur hinaus, sondern wendete außerdem Tricks an, um möglichst lange möglichst viel Rendite über meinen Notgroschen machen zu können. Ich nutzte den Verfügungsrahmen meiner Kreditkarten, um das Finanzamt oder einfach nur die nächste Kreditkartenabrechnung bezahlen zu können. Gleichzeitig strich ich damit Cashback und Zinsen ein. Um Zinskosten zu vermeiden, durfte ich mir keinen Fehler bei den Überweisungen erlauben. Disziplin und Übersicht waren Grundvoraussetzung.

Um es deutlich zu sagen: Ich hätte jeder Zeit das Finanzamt und die Kreditkarten über meinen Notgroschen bezahlen können – ich wollte es aber nicht. Über die letzten Wochen hinweg wurden mir die allmonatlichen Umbuchungen dann aber doch zu stressig und ich entschied mich, einen Teil meiner Liquidität auf Kosten des Notgroschens herzugeben. In den nächsten Monaten will ich meinen Schutzwall durch Anpassung der Sparrate wieder ganz regulär neu aufbauen.

Fazit: Wer einmal an seinen Notgroschen musste, der sollte ihn schnellstmöglich wieder auffüllen, muss dafür aber seine Sparraten in langfristige Anlagen reduzieren. Das schmerzt, ist jedoch die einzig sinnvolle Entscheidung, um auch in Zukunft unvorhersehbare Ausgaben locker wegstecken zu können.

Andreas Stegmüller

Ist Gründer und Betreiber dieses Blogs. Hat während seiner mehr als zehnjährigen Redakteurs-Laufbahn schon für mehrere große Medien zu den unterschiedlichsten Themen geschrieben. Die Börse ist seit 2016 seine Leidenschaft.

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